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Nachrichten zum Thema: Spiele
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Druck Und Manipulation: Ein Ex-publisher Packt Aus


#1 Mitglied ist offline   ShiaiTenshi 

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geschrieben 06. November 2006 - 14:28

Habe von nem Kollegen diesen Artikel bekommen. Der aht mich glatt vom hocker so dass ich gar nicht alles Lesen mag. (leider fehlt hier ein pasendes Smilie)
Die Kolumne "Bei Anruf Award" war der Auftakt für einen kritischen Herbst. Wie sieht es aus mit Manipulation und Beeinflussung in der deutschen Spielebranche? Wir begrüßen heute einen Kenner der Szene in einem Interview, der viele Jahre auf Publisherseite gerabeitet hat.  Zum Verständnis: Im Gegensatz zur Kolumne ist dieses Interview kein fiktives. Wir haben es gestern per E-Mail geführt. Die Quelle ist valide und wurde geprüft, will aber namentlich nicht genannt werden. Außerdem haben wir alle konkreten Personen-, Spiele- und Firmennamen entfernt.


4Players: Warum haben Sie sich bereit erklärt, an diesem Interview teilzunehmen?

Ex-Publisher: Ihre Kolumne "Bei Anruf Award" hat bei mir wieder viele Gedanken an längst verdrängte Zeiten geweckt, die ich mir hiermit endlich mal von der Seele schreiben kann.

4Players: Sie waren bei einem deutschen Publisher angestellt. Können Sie ungefähr beschreiben, in welcher Position Sie gearbeitet haben?

Ex-Publisher: In den letzten Jahren war ich bei mehr als nur einem Publisher beschäftigt und habe im Marketing ziemlich jede Position inne gehabt. Dadurch habe ich eigentlich schon alles gesehen und erlebt.

4Players: Warum haben Sie die Branche verlassen?

Ex-Publisher: Letztlich war ich es leid, meinen Kopf für utopische Zahlen hinhalten zu müssen, die heutzutage nicht mehr zu erreichen sind. Es wird immer wieder vergessen, dass Marketing nicht allein über Erfolg oder Misserfolg eines Produktes entscheidet, obwohl es auch da Gegenbeispiele gibt. Am Ende des Tages zählt das Produkt und entscheidet ganz alleine, ob es bei den Spielern ankommt oder nicht.

4Players: Weshalb wurde das Thema Beeinflussung und Manipulation der Spielepresse Ihrer Meinung nach bisher nicht thematisiert?

Ex-Publisher: Wie in Ihrer Kolumne bereits angedeutet wurde, herrscht in der Branche ein Geben und Nehmen. Es ist schon so normal geworden, dass bestimmte Maßnahmen zur Beeinflussung der Presse sogar im Marketingplan stehen und weit im Voraus geplant sind.

4Players: Im Idealfall werden Marketing und Redaktion strikt getrennt. Haben Sie diese wichtige Zweiteilung in Ihrer aktiven Phase oft angetroffen?

Ex-Publisher: Nicht oft. Ich persönlich halte schon eine Release Party, welche bei größeren Produkten und Publishern Gang und Gebe ist, für eine Beeinflussung. Aber ich habe es auch schon mehrmals erlebt, dass Marketing und Redaktion gemeinsam besprechen, welches Produkt auf dem Cover eines Magazins prangen wird. Dabei spielte so ganz nebenbei die gebuchte Anzeigenstrecke natürlich eine Rolle, auch wenn es keiner offen anspricht. Aber auch Vollversionen für die Cover-CD/DVD können die Entscheidung eines Magazins beeinflussen. 

4Players: Es gab also Redaktionen, die sich strikt gegen jede Einflussnahme verwehrt haben?

Ex-Publisher: Ja, die gab es auch. Aber im Laufe der Zeit lernt man ziemlich schnell, wo eine Beeinflussung stattfinden kann und wo nicht. Und vor allem: WIE man WO zum Ziel kommt.

4Players: Gab es auch Redaktionen, die für eine Kampagne ganz selbstverständlich die Wertung angehoben haben?

Ex-Publisher: Oh ja! 

4Players: Zurück zu den Mechanismen auf Publisherseite. Welche Formen der Beeinflussung der Presse kennen Sie aus der Praxis? Wie geht man vor, wenn man ein Spiel pushen will?

Ex-Publisher: Man bietet der Presse eine Umsatzbeteiligung basierend auf Media Control Daten an und bestimmt im Vorfeld den Umfang an Präsenz in deren Publikationen. Das geschieht in Form von Covern, Previews, Reviews, Anzeigen bis hin zu den Most Wanted Charts. Dadurch können beide Seiten sehr lange im Voraus planen und der Publisher kann sicher sein, dass sein Produkt eine angemessene Rolle in den Publikationen spielt, da die Anzahl der Seiten lange im Voraus steht. Das geschieht natürlich nicht mit Spielen, die erwartungsgemäß eine schlechte Bewertung bekommen werden, sondern mit Produkten, die durchaus ein Anwärter auf höhere Wertungen sind. Da Ganze wird sogar schriftlich festgehalten und am Ende gibt es ein schönes festgezurrtes Paket. Erschreckend, aber wahr und ich habe dies selbst erlebt.

4Players: Sind Publisher auch anonym in Foren unterwegs, um Stimmung zu machen?

Ex-Publisher: Natürlich. Mittlerweile gibt es sogar reichlich Firmen, die diesen "dreckigen" Job für einen Publisher übernehmen. Die andere Variante: Man stellt einfach einen Community Manager ein, der genau diese Aufgabe mit übernimmt. 

4Players: Ist dieses gezielte Hypen in letzter Konsequenz nicht auch schlecht für den Publisher selbst? Werden da nicht mittelmäßige Titel künstlich gut geredet?

Ex-Publisher: Auf lange Sicht schon. Aber nur bei wenigen Publishern wird das über das nächste Quartal hinaus geschaut - das lässt der Druck schon gar nicht zu. Und Beispiele für künstlich schön geredete mittelmäßige Spiele gibt es ja wirklich reichlich. 

4Players: Gibt es auch Abstrafmaßnahmen? Was ist passiert, wenn ein Magazin eine aus Publishersicht zu niedrige Wertung gegeben hat?

Ex-Publisher: Dann boykottiert man sie erstmal aus Trotz und denkt, dass sie irgendwann schon wieder angekrochen kommen. Damit schneidet sich der Publisher in der Regel aber ins eigene Fleisch und schaltet irgendwann doch wieder. Ich glaube, es gibt keinen einzigen Anbieter, der nicht mindestens einmal mit der Presse, egal ob im Print- oder Onlinebereich, ein Problem hatte. 

4Players: Haben Sie erlebt, dass Wertungen aufgrund entsprechender Anrufe doch noch nach oben korrigiert wurden?

Ex-Publisher: Ich kann mich nur ganz dunkel an einen Fall vor vielen Jahren erinnern, aber niedrige Wertungen werden dem Publisher ja eher selten im Vorfeld übermittelt.

4Players: Ein Vorwurf geistert immer wieder durch Foren. Kennen Sie auch Fälle von gekaufter Wertung aus ihrer aktiven Zeit?

Ex-Publisher: Das mag insbesondere bei kleinen Magazinen möglich sein, aber ich habe nie eine Rechnung unterschrieben, auf der als gelieferter Artikel "90 Prozent" oder ein Award angegeben war: So direkt habe ich es noch nicht erlebt, aber sämtliche Maßnahmen zielen natürlich immer auf eine höhere Wertung ab. 

4Players: Die Spielepresse muss Auflagen- bzw. Werbe-Umsätze erreichen, um zu überleben. Welchem Druck waren Sie damals ausgesetzt? Was mussten Sie erreichen?

Ex-Publisher: Nun, es mussten ganz normale wirtschaftliche Ziele erreicht werden, die im besten Fall auch von einem selber mit gesetzt wurden. Meistens ist das jedoch nicht der Fall und man hält den Kopf für Entscheidungen anderer Leute hin. Nach vielen Jahren in der Industrie weiß man irgendwann, dass ein bestimmtes Produkt nicht erfolgreich sein kann, weil man z.B. von dem Entwickler schon eine Handvoll Produkte in den Markt eingeführt hat und somit die Qualität kennt oder die Lizenz vielleicht nicht mehr soviel Zugkraft hat. Aber solche handfesten Informationen möchte niemand hören und rennt mit offenen Augen ins Verderben. In der langen Kette von richtigen oder falschen Entscheidungen wird die einfachste Frage irgendwann einfach nicht mehr gestellt: "Ist das Produkt gut und macht es Spaß?". Natürlich spielen hier auch finanzielle Aspekte eine große Rolle, aber auf lange Sicht sind Verschiebungen von Produkten bis zur wirklichen Marktreife die bessere Wahl. 

4Players: Was läuft da auf Publisherseite schief? Warum kommt es zu so krassen Fehleinschätzungen was mögliche Verkaufsziele angeht?

Ex-Publisher: Ich führe es darauf zurück, dass zu viele Quereinsteiger aus anderen Branchen von großen Namen und Lizenzen geblendet werden oder schlicht und ergreifend zu wenig Berufserfahrung in diesem sehr speziellen Gebiet haben. Man muss schon ziemlich viele Produkte und Entwickler kennen, um am Ende 1 und 1 richtig zusammenzählen zu können. Aber selbst dann kann es noch schief gehen, wie wir gerade aktuell an ParaWorld sehen können. Spitzenprodukt, Spitzenvertrieb, Spitzenmarketing - keiner kauft es. Ein Alptraum für jeden Marketingverantwortlichen!

4Players: Spricht man auf Marketingseite darüber, dass bestimmte Vorgehensweisen zweifelhafter Natur sind? Hatten Sie jemals Skrupel?

Ex-Publisher: Man belächelt es eher. Aber irgendwann geht es in Fleisch und Blut über und ist völlig normal. Ich hatte niemals Skrupel - der immense Druck sorgt dafür.

4Players: Wo könnte man Ihrer Meinung nach ansetzen, um solche Manipulationen zu verhindern?

Ex-Publisher: Durch Aktionen, wie sie gerade auf 4Players durchgeführt werden. Es wird viel zu wenig darauf aufmerksam gemacht, was heutzutage alles möglich ist. Und vielleicht sollte die gesamte Presse mal die rote Karte gemeinsam hochhalten.

4Players: Wie sehen Sie die derzeitige Lage? Wie gut ist der deutsche Spielejournalismus? 

Ex-Publisher: Die ständig sinkenden Auflagenzahlen zeigen eigentlich, in welche Richtung es geht und wie es um die Glaubwürdigkeit gestellt ist. Natürlich ist das nicht der einzige Grund, aber ein Blick auf die nicht enden wollenden Kommentare Ihrer Kolumne sprechen eine deutliche Sprache. Die Spieler sind es leid, 50-60 Euro in etwas zu investieren, das nicht richtig funktioniert oder keinen Spaß macht.

4Players: Gibt es Unterschiede in Sachen Beeinflussung, was Print und Online angeht?

Ex-Publisher: Nicht wirklich. Die Printmagazine existieren einfach schon viel länger und werden bereits seit vielen Jahren "beackert". Noch ist der Onlinebereich vielleicht nicht so extrem infiltriert, aber ich bin mir sicher, dass auch hier bereits Pläne geschmiedet werden oder schon sind.

4Players: Vielen Dank für das Interview.

Quelle
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#2 Mitglied ist offline   DekenFrost 

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geschrieben 06. November 2006 - 14:58

Ganz ehrlich, das überrascht mich kein stück.

Das selbe geht natürlich auch in der Film Industrie ab, und die Musik Industrie Topt warscheinlich alles.

Aber am ende entscheiden immer noch die Käufer über erfolg oder misserfolg eines Spiels/Films/Liedes.

Denkt doch nur an Popstars. Ein einziger Riesiger Marketinggag.

Oder Tomb Raider "The Angel of Darkness" Was ja schon im Fernsehen in den Himmel gelobt wurde befor überhaupt Spiele Magazine den Titel in den Händen gehalten haben. Aber auch die die darauf reingefallen sind haben schnell gemerkt was für ein schlechtes Spiel es war.

Ein weiteres gutes Beispiel was ich gerne nehme ist der Film "The Village". Als Horrorfilm vermarktet wurden so viele Menschen wie möglich in die Kinos gezogen die am ende vom Film enthäuscht waren weil sie, man mag es kaum glauben, auch einen Horrorfilm erwartet haben. Nun war The Village aber nunmal eher ein Romantischer Film, der eine durchaus interessante Geschichte erzählt hat. Ein HorrorFilm war er aber nicht. Und das wird leider bei vielen Filmen gemacht.
Ich meine .. wer hat bei Traumschiff Surprise nicht einen Science Fiction Film erwartet ? Also ich schon ..

Ich würde mir aber nicht zu große sorgen machen. Es zeigt einfach nur einmal mehr das man sich nicht von Medien beinflussen lassen und sich lieber eine eigene Meinung bilden sollte

Dieser Beitrag wurde von DekenFrost bearbeitet: 06. November 2006 - 15:14

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#3 Mitglied ist offline   Graumagier 

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geschrieben 06. November 2006 - 15:06

DekenFrost sagte:

Ganz ehrlich, das überrascht mich kein stück.

Ebenso. Man muss ja nur mal in die einschlägigen Zeitschriften schauen um zu merken, dass die Publisher hier enormen Einfluss nehmen.
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#4 __maggus__

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geschrieben 06. November 2006 - 15:08

Zitat

Sind Publisher auch anonym in Foren unterwegs, um Stimmung zu machen?


:(

Aber hier natürlich nicht ;)


Mich überrascht das nicht wirklich. Man sieht doch gleich, wenn ein Spiel in einem Magazin besonders viel Werbung bekommt und gleichzeitig auch eine gute Wertung absahnt. Das funktioniert übrigens auch bei anderen Produkten, wie Hardware. Die werden auch ganz groß beworben und bekommen im Test (zufälligerweise auf der nächsten Seite) dann eine der guten Platzierungen.
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