Diese Mangelzustände haben aber Ursachen, die ausserhalb der kritisierten Medien zu suchen und zu finden sind.
Was ich sehe, ist, dass Bider und bewegte Bilder bei weitem nicht einem ähnlich strengen (und fundierten) Codex unterliegen wie Sprache oder das geschriebene Wort. Das ist aber kein immanenter Charakter des Mediums selbst, sondern eine Frage der Zivilisierung.
Völlig unbeantwortet ist der Unterschied in der Wertung die wir zwei Arten des 'Stubenhockers' zumessen: Der 'Bücherwurm' vereinsamt schlimmstenfalls genauso wie der 'Nerd'. Trotzdem wird ersterer tendentiel eher positiv gesehen.
Um den Bogen mal wieder zum Eingangsthema zu schliessen:
Computerspiele und visuelle/digitale Medien gehören genauso zum notwendigen Erfahrungsschatz wie Lesen, Musik, Naturerfahrung und soziale Orientierung.
Man sollte nicht jede mediale Zuckung auf den Prüfstand stellen. Es gibt genauso überflüssige Literatur, falsche Freundschaften oder sommers in der Sonne liegend verbummelte Nachmittage.
Es ist imho vergebens, in digitalen Medien wie Computerspielen Ersatz oder Ausgleich für andere Lern- und Erfahrungsumgebungen zu suchen. Man bedient damit aber ein Feld, dass sich anders nicht beackern liesse: Medienkompetenz. Und das ist heute nun mal ein enorm wichtiger Punkt - denn Postman hat mit der Beschreibung der Wirkungsmechanismen ja keineswegs in Gänze unrecht.
Ergo: mit 10 Jahren gehören auch Computerspiele und Internet ins Kinderzimmer, unter der verantwortungsvollen Aufsicht, die Eltern auch anderen Erfahrungsbereichen zukommen lassen (müssen/müssten!). Oder warnen wir etwa davor, Kinder lesen zu lassen, weil sie möglicherweise regelmässig 'Der Stürmer' lesen könnten?
EDIT:
Ich möchte dem Ganzen noch einen Vergleich bezüglich der 'Verhinderung oder Unterdrückung von Phantasie' anfügen:
Mit den Harry Potter-Büchern ist eine Vermarktungsform in der Jugenliteratus entstanden, die bis dahin wesentlich von abfällig belächelter Literatur wie Fortsetzungsromanen und Geschichten wie Hanni und Nanni oder den Enid Blyton-Büchern besetzt war. Seit Harry Potter mehr zum Gewinnschöpfungsinstrument als zu Jugendliteratur geworden ist, dennoch aber allenthalben dafür gelobt und gerühmt wird, Jugend wieder ans Lesen herangeführt zu haben, wird der soeben geschaffene und kulturell (imho grundfälschlicherweise) etablierte Markt überschwemmt. In 3-Monatsrhytmen erscheinen Unmengen an Fortsetzungsromanen wie Worriercats, Skulldugery Plesant, Cornelia Funkes Banalergüsse, Chris D'LAcey's Feuer und Tränen-Reihe, Saphirblau-Rubinrot-Smaragdgrün und und und.
Hier werden keine Geschichten zu Ende erzählt, sondern mit unlautersten Stilmitteln ausgedehnt, verdünnt und toterzählt. Ist eine solche Reihe mal durch - charakteristisch ist der letzte langatmige und schwerfällige Band mit einem allzu plausiblen, konstruierten oder ungerechtfertigten Ende - ist kein Raum für Phantasie und Adaption der Geschichte in die eigene Lebens-und Vorstellungswelt mehr übrig. Die Geschichten werden schliesslich in Langeweile und Banalität aufgelöst.
Dagegen stelle ich ein Computerspiel: Lego Starwars. Natürlich ist auch das Teil einer gigantischen Wertschöpfungsmaschinerie. Aber: Seit es mein Sohn irgendwann einmal durchgespielt hatte, sitzt er immer wieder mit einem Freund zusammen und gestaltet seine eigenen Levels, in denen sie dann gemeinsam ihre eigenen, von ihnen ausgedachten Geschichten spielen.
Ich zucke mittlerweile eher zusammen, wenn meine Kinder mir mal wieder den Veröffentlichungstermin eines neuen Fortsetzungsbandes (Hardcover, 20-30,-€) nennen (natürlich mit damit verbundener Erwartungshaltung), als wenn sie nach der Anschaffung eines bestimmten Computerspiels fragen.
Das Problem, vor dem ich dann regelmässig stehe, ist, dass es mir ob der breiten Anerkennung dieses Mists als 'Literatur' und der allgemeinen Haltung bzgl. Leseförderung nahezu unmöglich ist, angemessen einschränkend einzuwirken.
Dieser Beitrag wurde von klawitter bearbeitet: 10. Dezember 2010 - 13:13

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