Mit diesem Beitrag will ich versuchen zu erklären, weshalb es für Speichergrößen klüger ist, anstatt der leider gebräuchlichen SI-Notation (Kilo/Mega/Giga) die IEC-Notation (Kibi/Mebi/Gibi) zu verwenden.
Wer seinen Computer mit einer größeren Festplatte ausstattet, stellt regelmäßig verwundert fest, daß nicht die Kapazität drin ist, die auf der Verpackung stand: Eine 1.000 Gigabyte große Festplatte wird vom System lediglich mit 931.3 Gigabyte angezeigt. Deshalb wird den Festplattenherstellern stets Täuschung vorgeworfen. Teils zu Recht, teils zu Unrecht.
Um das Problem zu verstehen, folgendes Beispiel:
Ein Kilogramm sind 1.000 Gramm.
Ein Kilometer sind 1.000 Meter.
Ein Kilowatt sind 1.000 Watt.
Ein Kilobyte sind 1.000 Byte.
Richtig? Nein, falsch! Die ersten drei Beispiele (Gramm, Meter und Watt) sind korrekt, nicht jedoch die Speichergrößenangabe. Ein Kilobyte besteht nämlich nicht aus 1.000, sondern aus 1.024 Bytes. Und hier sind wir bereits am Kern des Problems. Während bei Maßeinheiten, die auf 10er-Potenzen basieren, die Dezimalpräfixe der SI-Notation (Kilo, Mega, Giga usw.) anzuwenden sind, führt die Verwendung der SI-Notation bei Speichergrößen zu Verlusten, die sich – wie am obigen Beispiel mit der Festplatte zu beobachten – in verschenkter Kapazität bemerkbar machen. Deshalb wurden 1996 von der International Electrotechnical Comission (IEC) die Binärpräfixe vorgestellt. Hier eine Gegenüberstellung der Einheiten und den jeweiligen Kapazitätsunterschieden.
Wir stellen also fest: Dezimalpräfixe sind für Speichergrößen ungeeignet, werden aber nach wie vor von jedermann benutzt. Von Jedermann? Nein. Das Internationale Büro für Maß und Gewicht rät von der Verwendung von Dezimalpräfixen eindeutig ab. Die Filesharingseite ThePirateBay verwendet korrekter Weise die IEC-Notation. Einige Linux-Betriebssysteme geben Dateigrößen ebenfalls in Kibi/Mebi/Gibibyte an.
Spaßfakt am Rande: Das am weitesten verbreitete Betriebssystem, Microsoft Windows rechnet intern korrekt auf Basis von Zweierpotenzen, stellt das Ergebnis jedoch in Dezimalnotation dar. Das lässt sich am Beispiel des Installationspakets von LibreOffice 3.5.3 schön verdeutlichen: Die Installationsdatei ist genau 211.582.976 Bytes groß. In den Dateieigenschaften sieht das Unter Windows wie folgt aus.
Würde Windows gemäß SI-Notation mit 1.000 rechnen, sähe die Rechnung wie folgt aus:
211.582.976 Byte / 1.000 = 211.582,976 Kilobyte
211.582,976 Kilobyte / 1.000 = 211,582 Megabyte
Tatsächlich zeigt Windows jedoch „201 MB“ (Megabyte). Sie meinen also 201 Mebibyte, stellen das Ergebnis jedoch in Megabyte dar. Verrückter geht es nicht. Wenn man für Verwirrung sorgen wollte, würde man genau das tun, was Microsoft und viele andere hier tun. Dasselbe Spiel ereignet sich beim Kauf von Hauptspeicherriegeln. Ein 4 „Gigabyte“ Speicherbaustein birgt in Wahrheit 4 Gibibyte Kapazität. Die Angabe erfolgt freilich in SI-Notation. Dabei würde es ausreichen, bei der Kapazitätsangabe „GiB“ statt „GB“ dranzuschreiben.
Die Problematik wirft abseits der gängigen Verwirrung immer wieder weitere Fragen auf: Bei mobilen Internettarifen ist es üblich, daß die Provider die Bandbreite drosseln sobald der Kunde ein festgelegtes Transferlimit übersteigt. Bei UnityMedia beispielsweise sind das laut Vertragswerk zurzeit „5 GB“. Es stellt sich die Frage, ob sie mit „5 GB“ auch tatsächlich „5 GB“ (also 5.000.000.000 Byte) meinen, oder ob es „5 GiB“ (5.368.709.102 Byte) sind, die der Kunde verbrauchen darf bevor seine Leitung gedrosselt wird. Der Unterschied beträgt immerhin 368.709.102 Byte, also 0.34 GiB oder eine halbe Daten-CD. Man weiß es einfach nicht. Und die Provider sind damit selber überfragt: Als ich bei UnityMedia nachgefragt habe, hieß es, man müsste erst einmal bei der betreffenden Fachabteilung nachfragen. An der Hotline von Vodafone wurde mir gesagt, daß wohl „GiB“ gemeint sei, wo „GB“ dransteht – hundertprozentig sicher war man sich jedoch nicht.
Und mir wird vorgeworfen, ich hätte eine Macke!
Die ganze Verwirrung könnte vermieden werden, wenn wir endlich alle anfingen, Speichermengen in IEC-Notation anzugeben. Fangt einfach damit an. Es ist doch nicht schwer! Und wenn euch jemand schief anguckt, schickt ihr ihm einfach den Link zu diesen Artikel.
Einen nützlichen Umrechner von SI auf IEC gibt es hier.
PS: Ich weiß, daß jetzt einige rufen werden, daß das zwar richtig ist, aber niemanden juckt. Falsch! Es juckt jeden Tag viele tausende Menschen, die sich veräppelt fühlen. Es juckt die IEC, es juckt das Internationale Büro für Maß und Gewicht, es juckt zahlreiche Dozenten an Unis und es juckt beispielsweise die PC Games Hardware, die ebenfalls vor einiger Zeit bereits auf IEC-Notation umgestellt hat. Von einigen Gerichten, die in dieser Angelegenheit bereits im Sinne meines Plädoyers geurteilt haben, ganz zu schweigen.
Dieser Beitrag wurde von Peter Piksa bearbeitet: 02. Juni 2012 - 13:59
Änderungsgrund: Auszug aus dem Blog